gz rick simpson oel LHPYMXF
|

Rick-Simpson-Öl: angebliches Wundermittel?

Konzentrierte Cannabisextrakte, auch bekannt als Cannabisöle, werden bei sich selbst behandelnden Patienten immer beliebter. Die zähflüssige und klebrige Substanz wird oft sogar als „Krebsheilung“ bezeichnet. Im Allgemeinen sind die Herstellungsmethoden von Cannabisölen recht einfach und erfordern kein spezielles Equipment.

Das bekannteste Beispiel für diese Art von Produkten ist in diesem Bereich das „Rick-Simpson-Öl“, bekannt unter dem Akronym RSO. Auch in Deutschland ist die Behauptung des „Wundermittels“ bereits weit verbreitet. Im Internet findet man dazu viele Erfahrungsberichte von Menschen, die das Cannabisöl gegen ihre Krankheit einsetzen.

Rick Simpsons Geschichte

1997 arbeitete Rick Simpson als Ingenieur in Kanada. Aufgrund eines Arbeitsunfalls litt er an ständigen Kopfschmerzen und Tinnitus. Trotz mehrerer Untersuchungen im Krankenhaus konnten ihm die verschriebenen Medikamente keine Linderung der Schmerzen verschaffen.

Nachdem er 1999 eine Fernsehsendung über medizinisches Cannabis sah, probierte er Marihuana aus und war über die Erleichterung seiner Beschwerden begeistert. Er suchte er seinen Arzt auf, um nach einem Rezept für medizinisches Cannabis zu fragen. Dieses Anliegen wurde jedoch abgelehnt.

Die Symptome seiner Krankheit verschlimmerten sich so sehr, dass er kein normales Leben mehr führen konnte. Er beschloss, eine alternative Heilmethode zu finden, Cannabispflanzen anzubauen und ein Extrakt aus den Blüten herzustellen. Er nahm das Öl täglich ein und laut seinen Aussagen ging es ihm von Tag zu Tag immer besser, sein Schlaf verbesserte sich, Schmerzen und Blutdruck wurden gesenkt. Er kehrte wieder zu einem normalen Leben zurück.

Im Jahr 2002 wurde bei Rick Simpson ein Basalzellkarzinom diagnostiziert (der häufigste bösartige Hautkrebs). Ein Jahr später wurde er operiert, aber wenige Wochen danach war der Tumor bereits wieder präsent. Nach dem Misserfolg der konventionellen Behandlungen überließ Simpson seine Heilung seinem gleichnamigen Cannabisöl, dem Rick-Simpson-Öl. Er trug es direkt auf seiner betroffenen Haut auf. Schon nach 4 Tagen sei sein Melanom verschwunden.

Davon begeistert gab er sein Öl, laut seinen Aussagen, mehr als 5000 Menschen, die an verschiedensten Arten von Krebs, Leukämie, Diabetes, Bluthochdruck, chronischen Schmerzen, viralen oder bakteriellen Infektionen litten. Er behauptet, dass er eine Erfolgsrate von 70 % erzielte und ebenso die Lebensqualität der Patienten verbessern konnte, falls es für die Heilung der Erkrankung bereits zu spät war.

Rick Simpson behauptet, dass er mit seinem gleichnamigen Öl, Menschen heilen könnte, die an Krebs leiden!

Was ist das Rick-Simpson-Öl?

Rick-Simpson-Öl (RSO) ist ein Öl aus Cannabis, das eine sehr hohe Konzentration an THC aufweist, ca. 80 – 90 %. Es enthält das vollständige Pflanzen-Extrakt, das oral eingenommen oder topisch angewendet werden kann. Unter Verwendung eines Lösungsmittels wird es zur Extraktion von Cannabinoiden hergestellt. Das gebräuchlichste Lösungsmittel zur Herstellung von RSO ist Getreidealkohol, Ethanol oder Butan.

Nach einiger Zeit wird der Alkohol aus dem verbleibenden Pflanzenmaterial abgeseiht. Diese Pflanzen-Mischung wird dann erhitzt, bis der restliche Alkohol verdampft und das Endprodukt ist ein Cannabisöl mit dunkler Farbe und dicker Konsistenz. Das Rezept zum Herstellen des Öls kann man auf der Webseite von Rick Simpson finden. Er empfiehlt eine hohe Dosierung von bis zu einem Gramm täglich über eine Dauer von 2 Monaten.

Was sagt die Wissenschaft über das Rick-Simpson-Öl?

Bisher wurden viele hundert wissenschaftliche Arbeiten zu Cannabinoiden und Krebs veröffentlicht, aber diese Studien haben nicht genügend Beweise dafür gefunden, dass eine Krebsbehandlung sicher und effektiv ist. Die Forschung ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Hunderte von Wissenschaftlern untersuchen im Rahmen der International Cannabinoid Research Society das Potenzial von Cannabinoiden bei Krebs und anderen Krankheiten.

Die Behauptung, dass es einen soliden „Beweis“ dafür gibt, dass Cannabis Krebs heilen kann, ist höchst irreführend und wissenschaftlich nicht nachgewiesen.

Dies liegt daran, dass praktisch alle Studien nur im Labor oder bei Tierversuchen stattgefunden haben. Sie sind zwar ein wesentlicher Bestandteil der Forschung und können Hinweise auf die Vorteile von bestimmten Behandlungen geben. Da es keine Humanstudien gibt, kann man jedoch die Wirksamkeit gegen Krebs am Menschen nicht nachweisen.

Die besten Ergebnisse aus Laborstudien wurden bisher mit einer Kombination aus hochreinem THC und Cannabidiol (CBD) erzielt, einem Cannabinoid, das in Cannabispflanzen vorkommt und den psychoaktiven Wirkungen von THC entgegenwirkt. Es gab faszinierende Ergebnisse aus Laborexperimenten, in denen verschiedene Krebsarten untersucht wurden, darunter Hirntumore, Prostata-, Brust-, Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Jedoch gibt es unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Krebsarten, sodass sie weit davon entfernt sind, als „universelle“ Behandlung angesehen zu werden.

Cannabis-Experte Franjo Grotenhermen schreibt öffentlichen Brief an Rick Simpson

Franjo Grotenhermen hat einen offenen Brief an Rick Simpson geschrieben, in dem er ihn zur Vorsicht mit seinen Aussagen aufruft. Er beschuldigt den Kanadier mit seinen überzogenen Heilversprechungen, die keiner sachlichen Überprüfung standhalten können, unverantwortlich zu handeln.

Er sei mittlerweile international bekannt für sein Cannabisöl, das angeblich ein Krebsheilmittel sein soll. Viele todkranke, verzweifelte Menschen setzen ihre Hoffnungen in sein „Wundermittel“. Er wirft Simpson vor, der Verantwortung, die sich daraus ergibt, nicht gerecht zu werden. Er nehme wichtige Fakten nicht zur Kenntnis und als Laie, ohne medizinische Ausbildung, verfüge er nicht über das nötige Fachwissen.

Grotenhermen führt in seinem Brief verschiedene Behauptungen an, die Simpson in seinen Büchern vertritt, die aber schlicht falsch seien. So sei THC keineswegs das einzige Cannabinoid mit krebshemmenden Eigenschaften. Ganz im Gegenteil, so könnte bei einigen Tumorerkrankungen Cannabidiol (CBD) von größerer Bedeutung sein als THC und dies auch in Kombination.

Rick Simpsons Empfehlungen sind unverantwortlich!

Weiterhin deckt der Mediziner weitere Fehler des selbst ernannten Wunderheilers Simpson auf. Zum Beispiel beim Thema Decarboxylierung, beim Verständnis des menschlichen Organismus oder bei der pharmakologischen Wirkung von Cannabis.

Das größte Vergehen ist für den Arzt allerdings, dass Simpson seine Anhänger vor wirksamen Krebstherapien warnt. Es sei unverantwortlich, all seinen Befürwortern von einer Chemo und Strahlentherapie abzuraten, da diese angeblich Schäden anrichten und zu behaupten, dass alle Patienten durch das Rick-Simpson-Öl geheilt werden könnten.

Diesen Aufruf an Menschen mit einer schweren Krankheit wie Krebs, sich einer herkömmlichen Krebstherapie zu entziehen, findet Franjo Grotenhermen fahrlässig. Denn dank des Fortschritts gibt es gute Neuigkeiten: Immer mehr Menschen überleben den Krebs. Von 500.000 Personen in Deutschland, die jährlich an Krebs erkranken, werden gegenwärtig 280.000 geheilt. Das sind etwa 55 %. Im Jahr 1980 starben noch zwei Drittel aller Krebspatienten in Deutschland bei dieser Diagnose.

Grotenhermen ist vom Nutzen des medizinischen Cannabis in der Krebstherapie überzeugt. Dennoch spricht er sich vehement dafür aus, eine Cannabistherapie mit einer Standardtherapie zu kombinieren. In seinem offenen Brief fragt er, wie viele Menschen hätten gerettet werden können, die sich von der Standardtherapie abgewendet haben und dem Rick-Simpson-Öl vertraut haben, anstatt sich einer Kombination von Standard- und Cannabistherapie zu unterziehen.

Der Cannabis-Experte Franjo Grotenhermen warnt davor, eine Krebserkrankung nur mit Cannabisöl ohne eine Standardtherapie zu behandeln!

Was ist der Unterschied zwischen dem THC und CBD?

Bei der Erforschung von Cannabis wird schnell klar, dass es sich um eine komplexe Pflanze handelt. Das Kraut ist mit einer Vielzahl von Molekülen beladen, die alle unterschiedliche Wirkungen haben. Die Pflanze produziert eine einzigartige Familie von Chemikalien, die als Cannabinoide bekannt sind. Über 100 wurden identifiziert und die meisten, die untersucht wurden, weisen ein medizinisches Potenzial auf.

Die beiden primären Cannabinoide, die in den meisten Cannabisarten vorkommen, sind THC (das psychotrope Molekül, das einen hohen Wert erzeugt) und CBD (ein nicht-psychotropes Molekül, das mit zahlreichen gesundheitlichen Vorteilen verbunden ist). CBD hat nachgewiesen keine nennenswerten Nebenwirkungen.

Cannabis wird fast immer mit dem hohen Anteil an THC-reichen Derivaten der Pflanze in Verbindung gebracht. Dieses Cannabinoid bindet an CB1-Rezeptoren im Zentralnervensystem und führt zu einer Reihe von psychologischen und physiologischen Ergebnissen. Im Gegensatz dazu bindet CBD nicht an diese Site und nimmt stattdessen einen indirekteren Weg.

Um von CBD zu profitieren – ohne das durch THC induzierte Hochgefühl – kann das Cannabinoid aus der Cannabispflanze extrahiert und selbst konzentriert werden. Marihuana-Sorten enthalten jedoch normalerweise nicht genug CBD, daher werden stattdessen Industrie-Hanfpflanzen verwendet. Dies ist eine Cannabisart, die gezüchtet wird, um vernachlässigbare THC-Werte und hohe CBD-Werte zu enthalten. Dies macht die aus Hanf gewonnenen Wirkstoffe der CBD-Produkte in ganz Europa, Nordamerika und vielen anderen Teilen der Welt legal.

Auf der anderen Seite werden Marihuana-Pflanzen dazu verwendet, um einen Extrakt herzustellen, der reich an THC ist, wie das Rick-Simpson-Öl. Das resultierende Produkt wird jedoch als Cannabisöl und nicht als CBD-Öl betrachtet.

THC CBD
Unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz Frei erhältlich als Nahrungsergänzungsmittel
Verschreibungspflichtig als medizinisches Cannabis zur Linderung von Schmerzen Darf nur 0,2 % THC als Substanz enthalten
Psychoaktiv, erzeugt Rauschzustände Unbedenklich als Gesundheitsprodukt
Einnahme durch hohe Dosen (mehrere ml RSO) Einnahme durch Tropfen unter die Zunge

Der Hauptunterschied zwischen CBD-Öl und dem Rick-Simpson-Öl besteht durch den hohen THC-Gehalt von RSO. Dieses wirkt psychoaktiv und ist über 0,2 % nicht legal erhältlich.

Medizinische Vorteile von CBD und THC

CBD und THC haben viele der gleichen medizinischen Vorteile. Sie können mehrere der gleichen Zustände lindern. CBD verursacht jedoch nicht die euphorischen Effekte, die bei THC auftreten.  Im Juni 2018 wurde in der USA Epidiolex, das erste verschreibungspflichtige Medikament, das CBD enthält, zugelassen. Es wird zur Behandlung seltener, schwer kontrollierbarer Formen der Epilepsie angewendet.

CBD THC
Anfälle (Epilepsie), Schmerzen Schmerzen
Psychische Störungen Schlaflosigkeit
Depressionen, Angst Übelkeit
Migräne Mangelnder Appetit
Angst Angst
Entzündungen Glaukom

Zusammenfassung

Das Rick-Simpson-Öl, das von dem gleichnamigen Rick Simpson hergestellt wurde, wird im Internet als Krebs-Heilung angepriesen. Auch Rick Simpson ist davon überzeugt, dass seine Textur, dessen Rezept er auf seiner Webseite anbietet, Krebs heilen kann. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die seine Behauptung belegen könnte. Zwar gibt es Tierstudien, bei denen Cannabinoide das Wachstum von Krebszellen hemmen können, jedoch keine ausreichenden Studien bei Krebspatienten.

Artikelbild: twenty20photos / Envato

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert