Europäischer Gerichtshof: CBD ist kein Betäubungsmittel
Zu Beginn des letzten Jahres gab die Europäische Kommission bekannt, dass Cannabidiol (CBD) als Betäubungsmittel eingestuft werden soll. Die Entscheidung darüber, ob CBD-haltige Produkte als neuartiges Lebensmittel (sogenanntes Novel Food) gelten, wurde danach erst einmal vertagt. Daraufhin waren die Hersteller von CBD-Produkten äußerst schockiert und beunruhigt.
Am 19. November 2020 kam dann endlich die erhoffte freudige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH): Er urteilte in der Rechtssache C-663/18 (ECLI:EU:C:2020:938), dass natürlich gewonnenes CBD kein Betäubungsmittel sei. Diese Entscheidung sorgte bei Herstellern und Händlern von CBD-Produkten für große Erleichterung und ließ die Hoffnung darauf steigen, dass Cannabidiol möglicherweise doch in naher Zukunft als Novel Food eingestuft werden könnte.
Bislang große Verunsicherung auf CBD-Markt
CBD wird aus der weiblichen Hanf- oder Cannabispflanze gewonnen. Dieses Cannabinoid ist im Gegensatz zu THC nicht psychoaktiv. Es gibt etliche Studien und wissenschaftliche Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass CBD-haltige Produkte viele positive Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden eines Menschen haben können. So kann das Cannabidiol möglicherweise Schmerzen lindern, das Angstempfinden positiv beeinflussen und auch die allgemeine Stimmungslage verbessern. Produkte, die CBD enthalten, erfreuen sich aus diesen Gründen in der Bevölkerung seit etlichen Jahren einer wachsenden Beliebtheit.
Dementsprechend war die Bestürzung groß, als die Europäische Kommission Anfang 2020 in Erwägung zog, CBD aufgrund des Einheits-Übereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 als Suchtmittel einzustufen. Wäre das der Fall, könnte CBD nämlich in Zukunft nicht mehr als Lebensmittel vermarktet werden. Alle laufenden Anträge auf Zulassung von CPD-Produkten als „Novel Food“ wurden im Juli 2020 von der EU-Kommission auf Eis gelegt. Sie war der vorläufigen Auffassung, dass auch natürlich gewonnenes CBD betäubungsmittelrechtlich relevant sei.
Auch deutsche Behörden und Gerichte wurden zunehmend strenger, wenn es um die Beurteilung CBD-haltiger Produkte ging. Immer häufiger wurde der Verkauf entsprechender Mittel mit der Begründung verboten, dass sie gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen würden. All das führte natürlich zu einer großen Verunsicherung auf dem CBD-Markt und brachte etliche Unternehmen, die sich auf den Verkauf derartiger Produkte spezialisiert hatten, zur Verzweiflung.
Im Verfahren des EuGH ging es nun um die Vermarktung einer E-Zigarette in Frankreich mit einem CBD-haltigen Liquid. Die Geschäftsführer des Unternehmens, welches die Zigarette vertrieb, wurden vom Strafgericht Marseille verurteilt. Die Begründung: Das CBD-Öl, das im Liquid enthalten ist, wurde aus der kompletten Cannabis-sativa-Pflanze gewonnen. Auch die Blätter und Blüten wurden also für die Herstellung genutzt. In Frankreich ist es nach aktuellem Recht aber nur erlaubt, die Samen und Fasern von Hanf gewerblich einzusetzen.
Das CBD-Öl im Liquid der E-Zigarette wurde aus der Tschechischen Republik nach Frankreich eingeführt. Dort war es rechtmäßig produziert worden. Daraufhin wandte sich das Berufungsgericht Aix-en-Provence mit folgender Frage an den EuGH: Wie können die französischen Regelungen mit dem Unionsrecht vereint werden, insbesondere was die Regeln zum freien Warenverkehr anbelangt?
Die Entscheidung des EuGH ist wichtig für alle CBD-Hersteller und Händler
Der EuGH entschied zunächst, dass Betäubungsmittel – und dazu gehören auch diejenigen auf Hanfbasis – nicht unter die Warenverkehrsfreiheit fallen. Hiervon ist nur der Handel mit Produkten ausgenommen, die zur Verwendung für wissenschaftliche und medizinische Zwecke dienen. Dieser muss aber streng überwacht werden. Somit gilt für Betäubungsmittel ein Einfuhr- und Verkehrsverbot in sämtlichen Mitgliedsstaaten.
Gleichzeitig kam der EuGH aber auch zu dem Schluss, dass der Cannabisextrakt CBD kein Betäubungsmittel im Sinne des UN-Einheits-Überkommens von 1961 sei.
Der Europäische Gerichtshof prüfte die vorliegenden Unterlagen eingehend, konnte aber anhand der aktuellen wissenschaftlichen Daten nicht erkennen, dass CBD eine psychotrope Wirkung und somit schädliche Effekte auf die Gesundheit des Menschen habe. Demzufolge sind die Regeln zum freien Warenverkehr auf das zu beurteilende CBD übertragbar.
Allerdings stehen die Regelungen zum freien Warenverkehr den nationalen Vorschriften Frankreichs entgegen. Diese verbieten es, CBD zu vermarkten, sofern es aus der kompletten Cannabis-sativa-Pflanze hergestellt wird. Dies gilt auch, wenn das CBD in einem anderen Mitgliedsstaat rechtmäßig produziert wurde. Hier könne laut EuGH nur eine Ausnahme gemacht werden, wenn die nationale Regelung dazu geeignet sei, das Ziel zu erreichen, die Gesundheit der Öffentlichkeit zu schützen. Sie darf aber nicht über das hinaus gehen, was für die Erreichung dieses Ziels notwendig sei.
EuGH gibt Mitgliedsstaaten klare Anweisungen für Verbotsregelungen
Der EuGH betonte in seinem Urteil, dass der Schutz der öffentlichen Gesundheit von hoher Bedeutung sei. Die Mitgliedstaaten wurden dazu angewiesen, selbst zu bestimmen, auf welchem Niveau dieser Schutz gewährleistet werden soll und wie es gelingen kann, dieses Niveau zu erreichen. Um ein Verbot zum Schutz der Gesundheit der Öffentlichkeit durchzusetzen, sei es aber erforderlich, die etwaigen negativen Auswirkungen bei der Nutzung eines Produktes auf die Gesundheit zu bestimmen.
Außerdem müsse eine umfassende Bewertung des gesundheitlichen Risikos auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Daten und der neusten Erkenntnisse internationaler Forschungsarbeiten durchgeführt werden. Dabei seien Mitgliedsstaaten nicht zum Nachweis verpflichtet, dass CBD genauso gefährlich wie Betäubungsmittel sei. Allerdings sei es auch nicht möglich, sich lediglich auf hypothetische Erwägungen zu beziehen.
CBD-Markt ist erleichtert und optimistisch
Dieses Urteil ist für alle Unternehmen, die sich auf den wachsenden CBD-Markt spezialisiert haben, eine große Erleichterung. Sie befürchteten in den letzten Monat nämlich, dass der CBD-Markt komplett stagnieren könnte. Dies wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit passiert, wenn die EU-Kommission ihre vorläufige Auffassung durchgesetzt hätte, dass auf natürliche Weise hergestelltes CBD als Betäubungsmittel betrachtet werden müsse.
Hätte sich diese Auffassung beim EuGH ebenfalls bestätigt, wäre das mit weitreichenden Folgen für die Vermarktung von CBD-Produkten verbunden gewesen. Nachdem nun der EuGH zu einer anderen Auffassung gekommen ist, erwarten viele Unternehmen, dass die EU-Kommission ihre Haltung ebenfalls überdenken und somit Lebensmitteln mit CBD keine Steine mehr in den Weg legen wird.
Dezember 2020: UN ändert Gefahrenklasse von Cannabis
Zudem hat das EuGH-Urteil auch international eine wichtige Signalwirkung: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte im Januar 2019 der UN aufgrund der Untersuchung durch eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe bereits empfohlen, Cannabis, THC und CBD neu einzustufen. Bislang wurde Cannabis im UN-Einheits-Übereinkommen nämlich in der höchsten Gefahrenklasse gelistet – zusammen mit Stoffen wie Heroin.
Nun kam die Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation jedoch zu dem Schluss, dass die in den Untersuchungen entdeckten Risiken eine derart harte Einstufung nicht rechtfertigen könnten. Stattdessen wurde sogar anerkannt, dass Cannabis einen medizinischen Nutzen habe.
Am 2. Dezember 2020 fand nun eine historische Abstimmung der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen statt. Sie folgte der Empfehlung der WHO. Demnach wird Cannabis genauso wie Cannabisharz nun in die niedrigste Gefahrenklasse eingeordnet. Die WHO empfahl darüber hinaus auch, THC komplett aus dem Übereinkommen über psychotrope Stoffe von 1971 zu entfernen und es ebenfalls in die niedrigste Gefahrenklasse aufzunehmen.
Dieser Empfehlung folgte die Suchtstoffkommission der UN jedoch nicht. Genauso sah sie trotz dem Rat der WHO davon ab, CBD-Produkte mit einem THC-Gehalt von unter 0,2 Prozent ausdrücklich von den Regeln des UN-Einheitsübereinkommens zu befreien.
Einzelfallbetrachtung der Produkte weiterhin erforderlich
Grundsätzlich ändert sich durch die Entscheidung des EuGH in Bezug auf die Vermarktung von CBD-Produkten nun vor allem ein wichtiger Punkt: Mitgliedstaaten der EU sind nicht mehr berechtigt, die Vermarktung von CBD-Produkten pauschal mit der Begründung zu verbieten, dass dies ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz wäre.
Nach wie vor müssen Hersteller jedoch darauf achten, dass die verwendete Cannabis-sativa-Pflanze ebenso wenig wie das Endprodukt einen THC-Gehalt von 0,2 Prozent übertrifft.
Darüber hinaus gibt es immer noch einige Unklarheiten darüber, wie CBD-Produkte nun eingeordnet werden können. Die Zulassung als Novel Food durch die EU-Kommission fehlt weiterhin. Diese ist laut den deutschen Gerichten und Behörden erforderlich. Nachdem der EuGH die vorläufige Einordnung von CBD als Betäubungsmittel jedoch nun verworfen hat, ist der Weg dafür frei, die vorübergehend ausgesetzten Novel-Food-Anträge für CBD weiter zu prüfen.
Trotzdem müssen Unternehmen bei der Vermarktung von CBD auch weiterhin vorsichtig sein. Bestimmte Wirkaussagen könnten dazu führen, dass CBD in die Rubrik der Präsentationsarzneimittel eingeordnet wird. Diese sind jedoch nicht verkehrsfähig, wenn sie keine Arzneimittelzulassung besitzen. Aus diesem Grund gilt für Unternehmen, die CBD-Produkte herstellen und/oder verkaufen auch in Zukunft, dass die Zulässigkeit der Vermarktung im Einzelfall geprüft werden muss.
Zusammenfassung
Der Schock war groß, als die Europäische Kommission Anfang 2020 bekannt gab, CBD als Betäubungsmittel zu betrachten. Wäre der Europäische Gerichtshof dieser Auffassung gefolgt, hätte das fatale Folgen für Unternehmen gehabt, die CBD-Produkte herstellen und vermarkten. Nun entschied der EuGH aber in einem Urteil, dass CBD nicht als Betäubungsmittel betrachtet werden könne, sodass die erhoffte Einstufung als Novel Food wieder wahrscheinlicher wird.
Quellen und weiterführende Links
- http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&td=ALL&num=C-663/18
- https://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=2&Thema_ID=2&ID=3294
Artikelbild: Goodluz / Envato